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    «Wir müssen aktiv in die Gesellschaft hineinwirken»

    Foto: Kaupo Kikkas

    PROZ, September 2025, S. 10/11

    Lukas Nussbaumer

    Markus Poschner tritt sein Amt als neuer Chefdirigent des Sinfonieorchesters Basel an. Im Gespräch verrät er mehr zu inhaltlichen Schwerpunkten – und wie er seine Rolle als Kulturschaffender versteht.

    Markus Poschner, Ihr Debüt als Chefdirigent des Sinfonieorchesters Basel (SOB) am 3. September steht kurz bevor. Wie ist Ihre Gefühlslage?

    Markus Poschner: Ich muss sagen, meine Vorfreude ist mittlerweile kaum zu steigern. In unserer Branche arbeiten wir ja oft in der Zukunft: Wir sind seit über zwei Jahren intensiv am Planen, Überlegen, Fantasieren. Jetzt kann ich es kaum erwarten, dass wir endlich die Dinge, die wir uns ausgedacht haben, in die Tat umsetzen können.

    Gibt es etwas, worauf Sie sich besonders freuen?

    Einerseits auf die intensive Zusammenarbeit mit dem Orchester, die nun mit der ersten Probenphase Ende August so richtig losgeht. Bisher haben wir uns im Hinblick auf die kommenden Jahre vor allem in Gremienarbeit ausgetauscht. Aber die eigentliche Arbeit an der Musik ist durch nichts zu ersetzen, dafür schlägt mein Herz und ihr gilt meine ganze Leidenschaft. Und dann freue ich mich natürlich sehr auf den Kontakt mit dem Basler Publikum, was für mich zum Wichtigsten überhaupt gehört.

    Ihre erste Saison als Chefdirigent beginnt mit Gustav Mahlers 2. Sinfonie und endet mit dessen 3. Ihr erklärtes Ziel ist es, mit dem SOB über die nächsten Jahre alle Mahler-Sinfonien einmal zu spielen. Warum dieser Fokus?

    Als ich mich mit der Geschichte Basels und des SOB intensiv beschäftigt habe, ist mir sofort der Bezug zu Gustav Mahler ins Auge gesprungen. Er war ja 1903 selbst in Basel und hat mit dem Orchester gearbeitet. Er übte grossen Einfluss auf die nachfolgenden Dirigentengenerationen in Basel aus: Hermann Suter, Felix Weingartner, Moshe Atzmon, Hans Münch, Nello Santi, Heinz Holliger, Dennis Russel Davies, bis hin zu Ivor Bolton.

    Mahler als Dirigentenfigur ist also eng mit Basel verbunden. Wie ist es mit seiner Musik?

    Ich finde, sie passt einfach wahnsinnig gut hierher. Man könnte sagen, seine Musik ist die europäischste, die man sich vorstellen kann. Mahler ist in Böhmen geboren und in Wien sozialisiert worden. Er wurde geprägt von der Wiener Klassik, von französischer Musik und von Volksmusik. Von Kaffeehaus- bis Militärkapellen kommt bei ihm alles vor. Leonard Bernstein hat einmal gesagt, Mahler sei die Quintessenz aus 400 Jahren europäischer Musikgeschichte, bei ihm trifft sich alles. Und hier in Basel, im Dreiländereck, ist es ja genau so: Hier treffen verschiedene Kulturen auf engstem Raum aufeinander. Das prägt auch den Klang des Orchesters.

    Wo sehen Sie die Stärken des SOB? Sie konnten ja als Gastdirigent schon ein bisschen Erfahrung sammeln.

    Ich habe vom ersten Moment an gespürt, dass dieses Orchester ins Risiko gehen will: Dinge ausprobieren, die im roten Bereich liegen. Und es ist ebenso ein erfahrenes Theaterorchester – unglaublich flexibel und reaktionsfähig. Ich finde, darum geht es: Wir dürfen uns beim Musizieren nicht zu sehr mit Sicherheit zufriedengeben. Anknüpfen kann ich ausserdem direkt bei Ivor Boltons grossartiger Arbeit, das Orchester stets transparent klingen zu lassen. Das ist eine grosse Qualität, dabei hilft uns natürlich auch die fantastische Akustik im Stadtcasino.

    Das Publikum darf Ihnen in der kommenden Saison aus nächster Nähe bei der Arbeit zusehen und zuhören. Erzählen Sie uns doch zum Schluss, was sie mit den zwei neuen Formaten vorhaben.

    Bei «Poschner probiert» möchten wir unserem Publikum zeigen, wie wir ein Werk erarbeiten und verstehen – wo die entscheidenden Punkte liegen, wo die Herausforderungen. Es soll darum gehen, zu demonstrieren, worauf es bei einem Orchester dieser Qualität letztlich ankommt. Und «Poschner’s Passion» ist ein Talk-Format, in dem ich meine ganz persönliche Sichtweise präsentiere – auf unser Programm, unsere Vision, aber auch auf grössere gesellschaftliche Themen. Ich sehe uns Kulturschaffenden da immer mehr in der Verantwortung. Wir können den Diskurs über unsere Zukunft nicht nur der Politik überlassen. Es ist mein Anspruch, dass wir als Sinfonieorchester aktiv in die Gesellschaft hineinwirken.

     

    Saisonstart: Das kommt, das geht

    skn. Mit dem Wechsel des Chefdirigenten ändern sich auch einige Formate des Sinfonieorchesters Basel: In dieser Saison pausieren das «Krabbelkonzert», «Yoga with Live Music» und das «Picknickkonzert». Diese Formate bleiben Teil des Repertoires und können in künftigen Spielzeiten zurückkehren.

    Neu sind dagegen die Gesprächsreihe «Poschners Passion» mit dem Chefdirigenten über die Entstehung von Musik sowie «Poschner probiert», bei dem man in eine Orchesterprobe hineinschauen kann.  Dazu kommen die inklusiven «Relaxed Performances», die sich an Menschen richten, die von einer barrierearmen Umgebung profitieren und sich in einer lockeren Konzertatmosphäre ohne starke Lichteffekte und Lautstärken wohlfühlen.

    www.sinfonieorchesterbasel.ch

     

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