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    Les jeux sont faits

    PROZ, April 2025, S. 8/9

    Nick Joyce

    Die Doku «Game Over – Der Fall der Credit Suisse» beleuchtet den spektakulären Niedergang der Schweizer Grossbank. Der Film basiert auf den Recherchen des Zürcher Journalisten Arthur Rutishauser, der in diesen Tagen sein gleichnamiges Buch veröffentlicht.

    Herr Rutishauser, an welches Publikum richten Sie sich mit dem Film- und Buchprojekt «Game Over – Der Fall der Credit Suisse»?

    Arthur Rutishauser: An die gesamte Schweizer Bevölkerung. Alle müssen wissen, was bei der Credit Suisse alles falsch gelaufen ist, denn letztlich musste der Staat die Bank retten. Die CS hat Firmen zusammengekauft, die weder zur Strategie passten noch finanzierbar waren. Zudem wurde gelogen, bestochen und abgezockt. Es wurden unabhängig vom Geschäftsgang exzessive Boni an die Manager ausbezahlt. Bis heute wurde niemand dafür zur Rechenschaft gezogen, obwohl unglaublich viel Geld vernichtet wurde oder in die falschen Taschen gewandert ist.

    Einfach können Ihre Recherchen nicht gewesen sein. Manche Sitzungen, bei denen der scheidende Bundesrat Ueli Maurer die Situation bei der CS eruiert hat, wurden bekanntlich nicht protokolliert.

    Zum Thema CS gibt es viel Material. Den PUK-Bericht etwa und Akten, die wegen der laufenden Gerichtsfälle in den USA und anderswo öffentlich wurden. Ich musste mir die Informationen in verschiedenen Quellen auf der ganzen Welt zusammensuchen. 

    Zudem bin ich zum Glück schon seit 20 Jahren an der Schweizer Bankenszene dran und konnte so mit fast allen wichtigen Akteuren sprechen, auch wenn die meisten nicht genannt werden wollen. Ich weiss auch, wie man Bilanzen und Geschäftsberichte liest, in denen wichtige Einzelheiten stehen, die einem nicht auf dem Silbertablett präsentiert werden.

    Sind Sie bei der Arbeit an «Game Over» auf Missstände bei der CS aufmerksam geworden, von denen Sie bislang nichts gewusst
    hatten?

    Ja. Zum Beispiel war mir das Ausmass der Chiasso-Affäre zuvor nicht bewusst. Schliesslich ging ich 1977 noch zur Schule. Ende der 1970er-Jahre war die Schweizerische Kreditanstalt (SKA), wie die CS früher hiess, eigentlich Konkurs. Zehn Jahre dauerte es, bis der Skandal überwunden war, doch danach leiteten Rainer E. Gut und Lukas Mühlemann mit ihrem Drang zur Grösse den Niedergang ein.  

    Lange lastete dem Schweizer Wirtschaftsjournalismus ein Hauch von Hofberichterstattung an. Haben die Medien im Fall CS versagt?

    Vielleicht wurde zu lange zu nett über die Bankenszene berichtet, aber kritische Pressestimmen gab es immer. Roger Schawinski und Hanspeter Bürgin haben die Chiasso-Affäre in der Migros-Zeitung «TAT» früh ausgeleuchtet, Roger de Weck hat dasselbe getan für die «Tribune de Genève». Aber die CS, die «Neue Zürcher Zeitung» und die FDP haben zusammen eine Gegen-Phalanx gebildet, welche die Politik und die öffentliche Meinung lange im Griff hatte. Die bankenkritische «TAT» wurde eingestellt, und wenn sich die Wirtschaftszeitung «Cash» einmal kritisch geäussert hat, haben die Banken massiven Druck auf sie ausgeübt. Es wurden Inseratestopps verhängt, Richtigstellungen verlangt oder mit Gerichtsklagen gedroht. Später war das auch gegenüber der «SonntagsZeitung» nicht anders.

    Wie weit waren die Probleme der CS systemisch bedingt? 

    Die CS wollte unbedingt an die Wall Street, hat aber nicht sauber abgeklärt, auf welche Risiken sie sich mit ihren Zukäufen in den USA einlässt. Gleichzeitig hat sie mit dubiosen Gestalten zusammengearbeitet, die klar kriminelle Hintergründe hatten. Andere Geldinstitute, die sich so verhalten haben, gingen früher Konkurs oder wurden von anderen Banken übernommen. Aber die CS konnte ihre Verluste im Auslandsgeschäft lange mit den Geldern ausgleichen, die sie in der Schweiz verdient hatte. Ein solches Geschäftsmodell war während der guten Jahre der CS nicht sinnvoll – und es brauchte nur eine Mini-Krise, damit die Bank zusammenbrach.

    «Game Over – Der Fall der Credit Suisse» läuft in den Kultkinos Basel, www.kultkino.ch ϑ S. 62 und im Kino Sputnik, Liestal,
    www.palazzo.ch/kino

    In Planung ist auch eine TV-Serie mit vier Episoden à 45 Minuten.

    www.gameover-film.ch

     

    Das Buch zum Film 

    Arthur Rutishauser (geboren 1965) ist Chefredaktor der «SonntagsZeitung», promovierter Ökonom und preisgekrönter Investigativ-Journalist. Sein neues Buch «Game Over – Der Fall der Credit Suisse» ging aus der Arbeit am gleichnamigen Film über den Niedergang der Credit Suisse hervor. Darin deckt Rutishauser Skandale auf, die man schon lange vergessen und verdrängt hat. Bei der Lektüre erschrickt man ob der Dreistigkeit der Kaderleute am Zürcher Paradeplatz.

    Arthur Rutishauser, «Game Over – Der Fall der Credit Suisse»: Helvetia Verlag, Bern, 2025. 352 S., zahlr. Abb., brosch., CHF 36.90, www.helvetia-verlag.ch

     

     

     

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