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    «Ich bin gespannt auf die Begegnung mit mir selbst»

    PROZ, März 2025, S. 26/27

    Sina Aebischer

    Der Basler Autor Tim Altermatt schreibt in seinem Debütroman «Mimikry» über das Erwachsenwerden, die Liebe und einen Plattenladen, der mit der Gentri­fizierung zu kämpfen hat. 

    Wie ist es für Sie, Ihr erstes Buch zu veröffentlichen?

    Tim Altermatt: Es ist merkwürdig. Ich hielt es jetzt vor Kurzem mal in den Händen. Und es ist spannend: Wenn du ein Buch in der Hand hast, denkst du automatisch, du liest gerade etwas von jemand anderem. Dieses Gefühl kann ich nicht einfach ablegen. Das heisst, ich glaube immer noch, dass ich gerade das Buch von jemand anderem lese, was auf eine Art und Weise stimmt. 

    Inwiefern?

    Der Text ist drei Jahre alt. Ich habe mich weiterentwickelt und dadurch ist es interessant, sich selbst zuzuhören. Ein spannender Moment wird dann sein, wenn ich mich hinsetze und die beiden Figuren miteinander verschmelzen, weil ich mich vorlese. Ich bin sehr gespannt auf diese Begegnung mit mir selbst. 

    «Mimikry» erzählt eine Liebesgeschichte in einem Plattenladen. Geht es auch um die Liebe zur Musik?

    Musik ist stark mit Identität verbunden. Man wählt die Musik, die man hört, nicht nur nach subjektiven Kriterien aus, sondern stellt sie im Plattenladen als eine Art Trotzreaktion aus. Da ist viel Liebe dabei, aber bis zu einem gewissen Grad ist die Musikwahl auch aufgeladen mit Stolz und Identität. 

    Sie schreiben über einen Laden, dem das Aus droht, weil er nicht mehr marktfähig ist. War es Ihnen ein Anliegen politisch zu schreiben?

    Auf jeden Fall. Trotzdem ist es gut, habe ich das Buch nicht ganz so politisch geschrieben, wie ich es heute tun würde. Es wahrt dadurch eine Neutralität. Der Protagonist kritisiert die Gentrifizierung zwar, kann sich ihr aber nicht entziehen. Das Buch ist eine politische Beobachtung von Dingen, aber kein sehr krass politisches Pamphlet. Ich glaube, das ist auch seine Stärke. 

    Was passiert mit einer Stadt, wenn Geschäfte wie der Plattenladen verschwinden?

    Es verschwinden Geschichten und am Ende hast du Läden, die sich durchsetzen, weil sie komfortabel und zugänglich sind. Das Problem mit denen ist, dass das Wort «glattgeschliffen» gut passt: Es funktioniert alles, es ist sehr konventionell und nahe an der Norm gehalten, weil das die grösste Überlebenschance bietet. Aber ich glaube, es geht viel an Charakter und Kreativität verloren. Diese Spielräume für freie und intuitive Gestaltung fehlen dann.

    Bald werden Sie aus Ihrem Roman vorlesen. Haben Sie neben der Begegnung mit Ihrem ehemaligen Ich noch weitere Zukunftspläne?

    Ich habe momentan extrem viele Ambitionen – und viel Lust darauf. Ich habe seit «Mimikry» schon zwei Bücher fertig geschrieben und bin am dritten dran. Das Schreiben ist jetzt voll in mein Leben eingewachsen, und das wird auch so bleiben.

     

    Zum Roman «Mimikry»

    Als das «Drittel» aus dem Quartier verdrängt werden soll, setzt Milo alles daran den Plattenladen und damit auch seine sich anbahnende Beziehung zur Tochter des Besitzers zu retten. Dafür muss er sich ausgerechnet bei seinem Erzfeind, dem Inhaber des hippen Konkurrenzladens, Hilfe holen. Milo gerät in einen Gewissenskonflikt zwischen Alt und Neu und muss schon bald schwierige Entscheidungen fällen.

    Tim Altermatt, «Mimikry»: Zytglogge Verlag, Basel, 2025. 228 S., gb., CHF 28 

     

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