PROZ, Februar 2025, S. 10/11
Nina Hurni
Ostschweizer Deep House über feministische Spinnen und Provinzkultur: Das Duo Capslock Superstar feiert am 15. Februar Albumrelease im Humbug.
Globi läuft zum wummernden Beat durch einen SBB-Zug, an Golä, Helvetia und vielen Quöllfrischdösli vorbei, bis in den Führerstand. Dazu der Text: «Figge ufem Bundeshus/Frauestimmrecht schubidu.» Globi wirft den Zugführer aus dem Cockpit, der Beat droppt, Globi fährt den Zug gegen das Matterhorn. Das animierte Video zur Single «Helvetia» von Capslock Superstar hat auf den sozialen Medien schon fast 100 000 Views erzielt, am 7. Februar wird das ganze Album «Capslock Superstar Zwei» veröffentlicht.
«Die erste Hälfte habe ich in Brooklyn geschrieben, die zweite im Migros Resti», sagt Jessica Jurassica. Die Produzentin Mia Nägeli ergänzt: «Das Migros Resti funktioniert sehr gut als Atelier, weil es günstig ist, nicht nur ‹one type of people› hat – und der Kafi ist okay.» Sie hat hingegen stundenlang Deep House Remixes gehört, um dann einen Sound zu schaffen, der sich ans Genre anlehnt und doch einen eigenen Weg geht. Abgespacte Hooks treffen auf bassgetränkte Beats: Musik zum Tanzen oder beim Zugfahren aus dem Fenster schauen.
Textlich ist das zweite Album des Duos eine Reise vom desillusionierten Gefühl nach der (zweiten) Pubertät zu einem Versuch von Heilung: «Die grössti Spinne vode Welt/nimmt mich i ihren Arm.» Damit wird auf Louise Bourgeois’ Figur «Maman» angespielt, die für Nägeli und Jurassica eine sehr zentrale Rolle einnimmt, und worauf sie sich als feministische Tradition berufen.
Die Spinne verkörpert für Bourgeois die Mutter, weil sie Sachen zusammenhält und verbindet.
Machtstrukturen in der Musikszene
Jurassica und Nägeli äussern sich in Artikeln und auf sozialen Medien immer wieder zu Machtstrukturen, Transfeindlichkeit, Trauma und sexualisierter Gewalt in der Medien- und Musikszene. Das scheint auch im Album durch: «Boybands im Backstage/ Fruchtbrand und Speed/Wörter wie Nadle/ Huut wie Granit.» Im Album steht trotzdem die «Healing Journey» im Vordergrund, also das Heilen von Traumata. Wichtig ist für das Duo die queere Community, die abseits von der sehr cis-männlich geprägten Musikszene eigene Räume schafft.
Ansonsten ist im Album die Schweiz ein grosses Thema. Nägeli und Jurassica zelebrieren die lokale Provinzkultur ganz bewusst. «Die Schweiz ist trotzdem ein Shithole», will Jurassica aber festhalten.
Allgemein sind die beiden Künstlerinnen sehr spartenübergreifend unterwegs. Mia Nägeli ist Journalistin, Künstlerin und Produzentin, Jessica Jurassica hauptsächlich Autorin. Der nächste Traum des Duos ist ein Kochbuch. Zuerst kommt aber erstmal das Album – inklusive aufwendig gestaltetem Booklet.
Capslock Superstar, Albumrelease «Capslock Superstar Zwei», mit ENL, Zeny und Landjäger*innen: Sa 15.2., 21 h, Humbug, Basel, www.humbug.club
Ausserdem: Basler Clubnacht: Fr 31.1., ab 22 h, Basso, Gannet, Hirscheneck, Humbug, Kaschemme, Kuppel, Parterre One, Renée, Rouine, Schall und Rauch, Singer Klub, Basel, www.clubnachtbs.ch