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    Was wäre, wenn wir nicht mehr sterben müssten?

    PROZ, Mai 2024, S. 30/31

    Sabine Knosala

    Michael Schindhelm, ehemaliger Direktor des Theaters Basel, kehrt mit einer Ausstellung zum Thema «Langlebigkeit» ans Rheinknie zurück.

    Ob Elektroschock-Therapie für seinen Penis oder Bluttransfusionen des eigenen Sohnes: Mit teilweise bizarren Methoden kämpft der Tech-Millionär Bryan Johnson gegen die biologische Alterung an. Sein Lebensziel: nicht sterben zu müssen. Dafür investiert der Amerikaner jährlich mehrere Millionen Dollar in sein «Project Blueprint», das den Alterungsprozess des Menschen aufhalten will.

    Auch wenn das etwas extrem ist: Längst ist «Longevity», also Langlebigkeit, nicht nur Gegenstand von Science-Fiction-Filmen, sondern in der realen Wissenschaft angekommen. Vor rund einem Jahr hat die Universität Zürich ein Healthy Longevity Center eröffnet und auch Novartis forscht bereits dazu. 

    Nun widmet sich Michael Schindhelm, ehemaliger Direktor des Theaters Basel, ebenfalls dieser Materie. Für die Kulturstiftung Basel H. Geiger (KBH.G) hat er die Ausstellung «The End of Aging» konzipiert: «Basel ist eine Museumsstadt und ein wichtiger Standort für Life Sciences. Das eine kann man nicht ohne das andere denken», erklärt er. 

    Die Idee dazu hatte der 63-Jährige bereits vor zweieinhalb Jahren: «Die Biomedizin ist ein Fortschrittstreiber unserer Gesellschaft, wie es die Informatik vor ein paar Jahrzehnten war», ist Schindhelm überzeugt. Zudem sei der Wunsch nach ewigem Leben ein Urtraum der Menschheit, der jedoch eine Vielzahl kritischer Fragen auslöse.

    Fiktive Zukunft und reale Gegenwart

    Für «The End of Aging» wurde die KBH.G in ein verlassenes Spital verwandelt: So betreten die Besuchenden unter anderem einen Kontrollraum, einen Operationssaal, einen Aufwachraum und ein Labor. Der erste Teil der Ausstellung behandelt eine ferne Zukunft, in welcher der Alterungsprozess bereits umgekehrt wurde: In audiovisuellen Beiträgen begegnet das Publikum fiktiven Charakteren, wie zum Beispiel einer 14-Jährigen, die in Wahrheit über 100 Jahre alt ist, oder einem Mann, der in 50 Jahren seinen Avatar trifft. Dabei werden ethische, soziale und wirtschaftliche Fragen zur Langlebigkeit thematisiert.

    Im Aufwachraum folgt dann wortwörtlich das Aufwachen, denn im zweiten Teil geht es um die Wirklichkeit: Zehn reale Personen unter anderem aus der Wissenschaft geben einen Einblick, wo wir heute stehen: Was ist bereits machbar? Was könnte demnächst folgen? Darunter befinden sich der Nobelpreisträger Venki Ramakrishnan, Fiona Marshall, Präsidentin für biomedizinische Forschung bei Novartis, und Michael N. Hall, der mTOR entdeckte, ein zelluläres Signalmolekül, das entscheidende biologische Prozesse reguliert.

    Gesellschaftsrelevante Fragen disktutieren

    «Wir stehen am Beginn eines Zeitalters, in dem die Dauer der biologischen Existenz eine grosse Rolle spielt», sagt Schindhelm, «Ziel der Ausstellung ist es zu diskutieren, wie wir als Gesellschaft damit umgehen.» Die Zweiteilung sei dabei kein Zufall: «Sie entspricht dem Dualismus der menschlichen Wahrnehmung», meint er. So würden wir in der Naturwissenschaft unsere Umgebung über Fakten wahrnehmen, in der Kunst aber über Emotionen. 

    Gleichzeitig mutet die Schau aber auch wie die Quintessenz von Schindhelms Biografie an: Aufgewachsen in der DDR, studierte er Quantenchemie in Russland und arbeitete dann als Übersetzer. Nach der Wende leitete er ein Theater in Thüringen, bevor er von 1996 bis 2006 Intendant des Thea­ters Basel war – zuletzt parallel zur Leitung mehrerer Opernhäuser in Berlin. Danach engagierte sich Schindhelm als Kulturberater und Kurator unter anderem in Dubai und in Asien. Er schrieb Bücher und realisierte Filme – darunter eine Doku über einen Covid-Impfstoff, die mehrfach ausgezeichnet wurde. Schindhelm ist verheiratet mit einer Künstlerin aus Singapur und lebt heute im Tessin.

    Die Ausstellung «The End of Aging» ist sein erstes Projekt in Basel nach 18 Jahren, aber nicht sein letztes. Ende August folgt «Roots» ebenfalls in der KBH.G: Auch darin wird eine gesellschaftsrelevante Frage verhandelt, die mit Wahrnehmung zu tun hat – nämlich die postkoloniale Geschichte Balis beleuchtet durch das Leben des deutschen Künstlers Walter Spies.

    Michael Schindhelm, Ausstellung «The End of Aging»: Fr 3.5.– So 21.7. (ab Juli auch digital zugänglich), Kulturstiftung Basel H. Geiger, Spitalstr. 18, Basel. Eintritt und Katalog kostenlos, www.kbhg.ch

     

     

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