PROZ, März 2024, S. 19
Laura Ferrari
Nairi Hadodo verkörpert in «Kim» am Theater Basel das popkulturelle Phänomen Kim Kardashian. Das hat mit einer gemeinsamen Vergangenheit und einer aussergewöhnlichen Obsession zu tun.
Merkmale, die Nairi Hadodo und Kim Kardashian miteinander verbinden, sind nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Kommt man aber mit Hadodo ins Gespräch, zeigt sich, dass Kardashian eine wichtige Rolle im Leben der 28-jährigen Schauspielerin gespielt hat: «Ich gehöre der Generation MTV an», sagt sie. Seit ihrer Kindheit fühlt sie sich mit popkulturellen Phänomenen verbunden: «Ich habe mich immer für Pop interessiert, für mich bedeutete diese Art von Darstellung des weiblichen Körpers einen Entwurf von Macht und Emanzipation», erzählt sie. Und bei Kim Kardashian sei es die komplette Offenlegung ihrer Bedürfnisse gewesen: «Sie hat von Anfang an gesagt, das Wichtigste in ihrem Leben sei es, berühmt zu werden. Sie war sich nie zu schade, es immer wieder zu sagen.»
Nairi Hadodo wurde 1995 in Köln geboren und wuchs in Düsseldorf auf. Dass sie Schauspielerin werden wollte, wusste sie bereits mit zehn Jahren. Es war aber nicht nur die Schauspielerei: Hadodo begeisterte sich für alles Künstlerische und versuchte, Strukturen um sich herum in einen künstlerischen Guss zu bringen. «Für mich ist Kunst ein Sampling. Ich habe meine Inspiration immer aus unterschiedlichen Ecken geholt», erklärt sie. Bevor sie auf die Schauspielschule in Bochum ging, studierte Hadodo bildende Kunst.
Die Unsichtbarkeit sichtbar machen
Inspirationsquelle ist ihre Herkunft. Nairi Hadodo ist halb Aramäerin und halb Armenierin. Sie gehört somit zwei von Genozid betroffenen Völkern an, deren Schicksale so gut wie nicht aufgearbeitet wurden. «Mir wurde von meiner Familie das Bewusstsein für die Unsichtbarkeit unserer Kultur mitgegeben. Ich habe gelernt, dass eine Kultur nur lebt, wenn man ihr ein Gesicht gibt», meint Hadodo: «Wenn du mit dem Bewusstsein aufwächst, eine Minderheit zu sein, macht das etwas mit dir». Das, gepaart mit einer frühen Verankerung im feministischen Gedankengut, macht ihr künstlerisches Schaffen aus.
Kim Kardashian sprang Hadodo wegen ihres Namens ins Auge, denn die Endung -ian deutet auf einen armenischen Nachnamen hin: «Wenn jemand aus Armenien berühmt ist, fällt das auf.» Das Verhältnis zu Kardashian war über die Jahre ein ambivalentes, immer zwischen Abscheu und Faszination. Während des Kunststudiums wurde der Reality- TV-Star für sie zur Personifizierung für alles, was in feministischen Diskursen schiefgelaufen ist. Doch ignorieren konnte sie Kim Kardashian trotzdem nicht: «Diese Frau hat mich nie losgelassen», sagt sie.
Jetzt bringt Nairi Hadodo die Person, die sie schon so lange begleitet, auf die Bühne. Zur Inszenierung sagt Nairi Hadodo: «Das Stück wird schnell, und es wird Freude machen.» Denn das findet sie das Wichtigste am Theater, dass es Freude macht, und zwar für alle Beteiligten.
Schauspiel «Kim»: Premiere Fr 8.3., 20 h, Theater Basel, Kleine Bühne, www.theater-basel.ch